Straßenkinder – wer ist damit gemeint?
Die Bezeichnung „Straßenkinder“ löst allgemein viele unterschiedliche Assoziationen und Stigmatisierungsprozesse aus. Bilder von Straßenkindern aus der „Dritten Welt“, vor allem aus Südamerika, prägen unsere vorurteilsbehafteten Vorstellungen: Hilfsbedürftige in zerrissenen Kleidern, die um Essen betteln, Gruppen von herumlungernden, drogenkonsumierenden Kindern und Jugendlichen an öffentlichen Plätzen, Arbeitende, die Windschutzscheiben an den Verkehrsampeln putzen, Schutzbedürftige, die auf Pappkarton schlafen, gewalttätige Kriminelle, die dealen, klauen oder rauben, minderjährige Prostituierte. Schon allein diese verschiedenen Portraits zeigen, wie zahlreich und unterschiedlich die Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen sind, in denen sich die Kinder und Jugendlichen befinden. Das Kinderhilfswerk UNICEF liefert für Straßenkinder (Meninos e Meninas de Rua) folgende Definition: „Jedes Mädchen oder Junge, der oder die noch nicht erwachsen ist, für den oder die die Strasse (im breitesten Sinne) zum normalen Aufenthaltsort und/oder zur Quelle für den Unterhalt geworden ist, und der oder die unzulänglich durch Erwachsene geschützt, überwacht und angeleitet ist“. Zudem unterscheidet UNICEF zwei Gruppen. Einerseits „Kinder auf der Straße“ (Crianças e Adolecentes na Rua), die nur tagsüber auf der Straße sind, dort arbeiten und regelmäßig zu ihren Familien zurückgehen. Andererseits bezeichnet UNICEF diejenigen als „Kinder der Straße“ (Crianças e Adolecentes de Rua), die konstant auf der Straße leben und arbeiten und keinen Kontakt zu ihrer Familie haben. Der Übergang vom sporadischen zum konstanten Aufenthalt auf der Straße ist jedoch fließend. Aufgrund der gesellschaftlichen und kulturellen Hintergründe und des anderen Verständnisses von Kindheit in Lateinamerika, sollten „arbeitende Kinder“ (Meninos e Meninas Trabalhadores), die ihr eigenes Überleben sichern oder zum Lebensunterhalt der Familie beitragen, separat betrachtet werden. In Brasilien wird aktuell weitgehend der Begriff „Crianças e Adolecentes em Situaçao de Rua“ (Kinder und Jugendliche in der Situation, auf der Straße zu leben) verwendet. Mit dieser Bezeichnung soll die Dynamik des Lebens auf der Straße und die Individualität jedes Kindes bzw. jedes Jugendlichen betont werden.